Stand: April 2025
Seit April 2025 gibt es eine wichtige Neuerung für Ärzt:innen, die Demenzpatient:innen betreuen: Videofallkonferenzen mit Pflegefachkräften können nun über eine neue Gebührenordnungsposition abgerechnet werden. Diese Entwicklung stärkt die telemedizinische Versorgung von Menschen mit Demenz erheblich und ermöglicht eine effizientere Zusammenarbeit zwischen medizinischem Personal und Pflegekräften. In diesem Artikel erfahren Sie, wie die neue Vergütungsregelung funktioniert, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Chancen sie für die Versorgungsqualität bietet.
Die neue Abrechnungsoption im Detail
Mit der Einführung der neuen Gebührenordnungsposition (GOP) 01443 im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) erhalten Vertragsärzt:innen erstmals eine Vergütung für Videofallbesprechungen mit Pflegefachkräften bei der Betreuung chronisch pflegebedürftiger Demenzpatient:innen. Diese Leistung wurde mit 86 Punkten bewertet, was einem Betrag von 10,66 Euro entspricht[1]. Pro Krankheitsfall kann die GOP 01443 bis zu dreimal abgerechnet werden, was die kontinuierliche Abstimmung zwischen ärztlichem Personal und Pflegekräften über den Verlauf der Erkrankung ermöglicht. (Zum gesamten Abrechnungsmodell haben wir einen umfassenden Artikel zur Abrechnung von Videosprechstunden für Sie aufbereitet.)
Die neue Vergütungsregelung gilt zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren und wird außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zum festen Preis vergütet[1]. Dies bietet Planungssicherheit für die abrechnenden Praxen und stellt sicher, dass die Einführung dieser wichtigen telemedizinischen Leistung nicht zulasten anderer medizinischer Versorgungsleistungen geht.
Voraussetzungen für die Abrechnung
Im Gegensatz zur bereits existierenden GOP 01442, die ausschließlich von koordinierenden Vertragsärzt:innen genutzt werden kann, steht die neue GOP 01443 allen Vertragsärzt:innen offen, die in die Behandlung von Demenzpatient:innen eingebunden sind[1]. Dies erweitert den Kreis der Anwender:innen erheblich und ermöglicht eine breitere Implementierung telemedizinischer Versorgungskonzepte.
Die zentrale Voraussetzung für die Abrechnung ist, dass innerhalb der letzten drei Quartale – einschließlich des aktuellen Quartals – mindestens ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden haben muss[1]. Dies stellt sicher, dass die behandelnden Ärzt:innen die Patient:innen persönlich kennen und eine fundierte Basis für die telemedizinische Fortsetzung der Behandlung besteht.
Telemedizin in der Demenzversorgung: Mehr als nur ein digitaler Trend
Die Einführung der neuen Vergütungsregelung ist mehr als nur eine administrative Änderung. Sie spiegelt einen grundlegenden Wandel in der Versorgung von Menschen mit Demenz wider und ist ein wichtiger Baustein der Nationalen Demenzstrategie, die 2020 von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde[1][6].
Wissenschaftlich belegte Wirksamkeit
Studien haben gezeigt, dass telemedizinische Ansätze in der Demenzdiagnostik und -behandlung eine hohe diagnostische Genauigkeit aufweisen können. Die Ergebnisse bei der Durchführung standardisierter neuropsychologischer Tests wie dem Mini-Mental-Status-Test (MMST) und dem ACE III sind mit denen persönlicher Untersuchungen vergleichbar[4]. Dies bestätigt, dass qualitativ hochwertige Versorgung auch auf digitalem Weg möglich ist.
An der Universitätsklinik Jena wurde etwa eine Videosprechstunde für Menschen mit kognitiven Defiziten und Demenzerkrankungen etabliert, bei der die Patientenzufriedenheit auf dem gleichen Niveau lag wie bei regulären Vor-Ort-Kontakten[4]. Die Untersuchung zeigte zudem, dass Patient:innen, die telemedizinisch betreut wurden, eine längere Behandlungsdauer aufwiesen – ein potenzieller Hinweis darauf, dass die niedrigschwellige Kontaktmöglichkeit zu einer kontinuierlichen Versorgung führen kann[4].
Praktische Vorteile für alle Beteiligten
Die telemedizinische Betreuung von Demenzpatient:innen bietet zahlreiche praktische Vorteile[1][4]:
- Verbesserter Zugang zur Versorgung: Insbesondere in ländlichen Gebieten, wo der Weg zum nächsten Spezialisten oft stundenlang dauern kann, ermöglicht die Telemedizin einen flexibleren und individuelleren Zugang zu spezialisierter Versorgung.
- Entlastung für mobilitätseingeschränkte Patient:innen: Für ältere Menschen, die häufig in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, kann der Weg zur Arztpraxis eine erhebliche körperliche Belastung darstellen. Die Videosprechstunde bietet hier eine willkommene Alternative.
- Zeitersparnis für Angehörige: Betreuungspersonen müssen sich nicht mehr einen ganzen Tag freinehmen, um Patient:innen zu Arztterminen zu begleiten, sondern können ihre Zeit deutlich flexibler einteilen.
- Beobachtung im häuslichen Umfeld: Durch die Videokonsultation können Ärzt:innen die Patient:innen in ihrer gewohnten Umgebung erleben, was oft aussagekräftigere Einblicke in die tatsächlichen Alltagsprobleme ermöglicht.
- Effizientere interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die neue Vergütung für Videofallkonferenzen erleichtert die Abstimmung zwischen Ärzt:innen und Pflegefachkräften und verbessert so die koordinierte Versorgung.
Praktische Umsetzung in Ihrer Praxis
Wenn Sie als Vertragsärzt:in die neue GOP 01443 nutzen möchten, sollten Sie einige praktische Aspekte beachten:
Technische Voraussetzungen
Für die Durchführung von Videofallkonferenzen müssen Sie einen zertifizierten Videodienst-Anbieter gemäß Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte nutzen[8][13], zum Beispiel Consularia Live, das Sie 30 Tage vollumfänglich kostenlos und ohne Verpflichtung testen können. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stellt eine Liste zertifizierter Anbieter zur Verfügung. Zusätzlich können Sie für die technische Ausstattung eine Technikpauschale (GOP 01450: 40 Punkte / 4,33 Euro) abrechnen[12].
Finanzielle Aspekte
Die Vergütung einer Videofallkonferenz mit 10,66 Euro mag auf den ersten Blick nicht üppig erscheinen, jedoch erhalten Sie diese Leistung zusätzlich zu Ihren anderen Abrechnungspositionen. Je nach Ausgestaltung Ihrer telemedizinischen Angebote können weitere Vergütungen hinzukommen, etwa für Gesprächsleistungen, die über Videosprechstunden erbracht werden (ca. 15 Euro pro 10 Minuten Gesprächszeit)[13].
Beachten Sie, dass bei ausschließlichem Videokontakt die Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale reduziert wird. Findet im selben Quartal noch ein persönlicher Kontakt statt, wird diese Pauschale jedoch in voller Höhe gezahlt[12].
Telemedizin als Zukunftsmodell für die Demenzversorgung
Die Einführung der neuen Vergütungsregelung für Videofallkonferenzen in der Demenzversorgung ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung telemedizinischer Versorgungsansätze. Sie reiht sich ein in eine Entwicklung, die durch die COVID-19-Pandemie erheblich beschleunigt wurde und nun zunehmend in den medizinischen Regelversorgungsalltag integriert wird.
Telemedizinische Ansätze können den Zugang zur medizinischen Versorgung verbessern, eine leitliniengerechte Behandlung unterstützen, unnötige Krankenhauseinweisungen vermeiden und Wartezeiten für Patient:innen reduzieren. Besonders vielversprechend sind zukünftige Entwicklungen, die Telemedizin mit künstlicher Intelligenz verbinden, um die Qualität der Versorgung von Menschen mit Demenz weiter zu verbessern[5].
Nutzen Sie als Vertragsärzt:in die neuen Möglichkeiten der Videofallbesprechung und leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der interdisziplinären Versorgung von Demenzpatient:innen. Die telemedizinische Betreuung stellt dabei nicht nur eine zeitgemäße Ergänzung Ihres Praxisangebots dar, sondern kann auch zu einer effizienteren Arbeitsorganisation und einer höheren Patientenzufriedenheit beitragen.
Fazit
Die neue Vergütung für Videofallkonferenzen in der Demenzversorgung markiert einen wichtigen Meilenstein in der Weiterentwicklung der telemedizinischen Versorgungslandschaft in Deutschland. Sie bietet Ärzt:innen, Pflegekräften und vor allem den betroffenen Patient:innen und ihren Angehörigen neue Möglichkeiten für eine koordinierte und patientenorientierte Betreuung.
Angesichts der demografischen Entwicklung und des zunehmenden Fachkräftemangels werden solche innovativen Versorgungsansätze in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Die jetzt geschaffene Vergütungsregelung legt einen wichtigen Grundstein für die weitere Etablierung telemedizinischer Versorgungskonzepte in der Demenzversorgung.
Wir empfehlen allen Ärzt:innen, die in die Betreuung von Demenzpatient:innen eingebunden sind, sich mit den neuen Möglichkeiten vertraut zu machen und sie in ihren Praxisalltag zu integrieren. Die Telemedizin ist nicht nur eine technische Innovation, sondern ein wertvolles Instrument zur Verbesserung der Versorgungsqualität und zur Entlastung aller Beteiligten.
Quellen
[1] https://sprechstunde.online/neue_verguetung_fuer_demenzversorgung_per_video/
[2] https://digidem-bayern.de/demenz-diagnose-per-videosprechstunde/
[3] https://www.offis.de/offis/aktuelles/meldung/telemedizin-hilft-demenzkranken.html
[4] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10635742/
[5] https://telmedicon.de/2024/02/12/demenz-und-telemedizin/
[6] https://www.nationale-demenzstrategie.de/fileadmin/nds/pdf/2022-06-14_NDS_Bericht_Steuerungsgruppe_2022_Web.pdf
[7] https://www.praktischarzt.de/arzt/telemediziner/
[8] https://cms.law/en/int/expert-guides/cms-expert-guide-to-digital-health-apps-and-telemedicine/germany
[9] https://www.gleisslutz.com/en/news-events/know-how/telemedicine-rise-legal-framework-and-potential-development
[10] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36084277/
[11] https://www.tk.de/presse/themen/digitale-gesundheit/telemedizin/telemedizin-2038368
[12] https://mtrconsult.com/news/new-regulation-video-consultations-germany
[13] https://www.adesso.de/en/news/blog/what-is-a-video-consultation-and-why-do-i-need-it.jsp
[14] https://www.oecd.org/content/dam/oecd/en/publications/reports/2023/01/the-future-of-telemedicine-after-covid-19_3b64f3d8/d46e9a02-en.pdf
[15] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/aeltere-menschen/demenz/nationale-demenzstrategie
[16] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/zukunftsregion-digitale-gesundheit/modellvorhaben.html
[17] https://www.alzheimer-gesellschaft-rhpf.de/lernvideos-zum-thema-demenz-und-pflege/
[18] https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-2073-3947.pdf
[19] https://www.qwiek.eu/de/aktuell/digitalisierung-der-pflege-videotelefonie-im-gesundheitswesen-und-bei-familienbesuchen
[20] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/ressortforschung/handlungsfelder/forschungsschwerpunkte/nationale-demenzstrategie.html
[21] https://www.deutsche-alzheimer.de/ueber-uns/unsere-aktivitaeten-und-projekte
[22] https://www.nationale-demenzstrategie.de/die-strategie/handlungsfelder/forschung/436-erforschung-von-digitalisierung-in-der-praevention-und-versorgung
[23] https://www.youtube.com/watch?v=4osJjk_8CCo
[24] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/details/nationale-demenzstrategie.html
[25] https://www.deutsche-alzheimer.de/fileadmin/Alz/pdf/Broschueren/Tablets_Sensoren_Co.pdf
[26] https://digidem-bayern.de/vorteile-der-telemedizin-bei-demenz/
[27] https://alzheimer-nrw.de/wp-content/uploads/2020/03/InSel-Broschuere-Internet-Video-Selbsthilfe_WEB.pdf
[28] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/nationale-demenzstrategie-165218
[29] https://dserver.bundestag.de/btd/20/150/2015069.pdf
[30] https://www.cosinuss.com/en/2022/03/22/telemonitoring-in-advanced-heart-failure-reimbursable-since-2022/
[31] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11046389/
[32] https://www.jmir.org/2024/1/e56699/
[33] https://www.gleisslutz.com/de/aktuelles/know-how/telemedizin-im-hoehenflug-rechtlicher-rahmen-und-entwicklungspotenzial
[34] https://www.insideeulifesciences.com/2023/07/04/germany-plans-health-data-use-act-and-stricter-pricing-reimbursement-rules-for-digital-health-apps/
[35] https://www.ibanet.org/document?id=Healthcare-Telemedicine-Survey-Germany
[36] https://www.commonwealthfund.org/publications/issue-briefs/2023/apr/primary-care-physicians-telehealth-2022-international-survey
[37] https://www.kbv.de/html/telemedizin.php
[38] https://veranex.com/2025/03/25/germany-paves-the-way-for-reimbursement-of-digital-health-care-apps/
[39] http://www.kbv.de/media/sp/Videosprechstunde__uebersicht_Verguetung.pdf
[40] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Der_digitale_Patient/VV_SHS-Studie_EN.pdf
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Bis 2006 war ich Führungskraft im Marketing eines internationalen Finanzvertriebs. Zwischen 2007 und 2023 war ich als Kommunikationsberater mit Schwerpunkt Online-Marketing und Social Media tätig. Außerdem bin ich Autor der beiden Fachbücher »Social-Media-Marketing für Dummies« und »Wirkungsvoll fürs Web texten für Dummies«, die im Buchhandel erhältlich sind. Seit Ende 2023 verstärke ich die Consularia GmbH als Leiter des Marketings.